Die Pille danach
Wie gesundheitsschädlich ist die Pille danach und wo liegt die Grenze zum Schwangerschaftsabbruch?
24 Jahre jung, mit Wuschelkopf und strahlend blauen Augen kam sie gut gelaunt an unsere Rezeption im ärztlichen Notdienst und sprach: „Ich brauche die Pille danach. Mein Freund ist auch dabei, er kommt gleich nach.“ „Kein Problem“, sage ich, „das machen wir gleich hier am Tresen. Dafür müssen sie nicht einmal in mein Sprechzimmer kommen.“ Zu meiner Arzthelferin sage ich: „Bitte stellen Sie für die junge Dame ein Rezept für Tetragynon® aus.“
Das Medikamenten-Potpourri
Tetragynon® ist heute nicht mehr im Handel, weil Frauen versucht haben diese Östrogen-Gestagen-Kombination zur Abtreibung zu benutzen. Wie kann das verhindert werden? Sollte nur der Frauenarzt nach einer Ultraschallkontrolle die Pille danach verschreiben dürfen? Sollte sie vom Hausarzt auf Rezept erhältlich sein? Oder sollte die Pille danach trotzdem, ganz unkompliziert, frei verkäuflich sein?
Alle drei Varianten wurden in Deutschland bereits praktiziert: Als im November 1999 das hochdosierte Antigestagen Mifepriston eingeführt wurde, konnte bis zum 49. Tag nach der letzten Regelblutung hiermit ein Schwangerschaftsabbruch erzielt werden. Eine sonografische Ultraschallkontrolle durch einen Frauenarzt war Voraussetzung.
Das rezeptpflichtige Tetragynon® wurde im September 1985 auf dem deutschen Markt eingeführt. Wie Mifepriston führte es zu einer Abbruchblutung, musste aber laut Beipackzettel schon innerhalb 48 Stunden eingenommen werden. Es wurde im März 2015 durch eine softere Version der Pille danach abgelöst, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich ist.
Wie schädlich ist die Pille danach?
Die rezeptfreie Pille danach sollte innerhalb von 24 Stunden nach dem Sex eingenommen werden. Als synthetisches Gelbkörperhormon greift sie in das Hormonsystem ein, indem sie den Einsprung verzögert. Eine Befruchtung der Eizelle kann auf diese Weise in 95 Prozent der Fälle von vornherein verhindert werden. Der Menstruationszyklus wird hiermit aus seinem üblichen Rhythmus gebracht. Der verwirrte Körper kann mit Schmierblutungen oder stärken Blutungen reagieren. Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen sind weitere mögliche Nebenwirkungen. Wer innerhalb von drei Stunden nach Einnahme der Pille erbricht, hat den Wirkstoff in der Toilette versenkt und sollte sich zügig bei seinem Frauenarzt vorstellen.
Das Verhütungsmittel-Potpourri
Die Wahl der Verhütungsmittel ist vielfältig und jede Frau bzw. jedes Paar kann heute für sich die optimale Methode aussuchen. Die Auswahl beginnt bei Kondomen, der Pille, Spiralen, der Temperaturmethode nach Knaus Ogino und endet vielleicht bei Verhütungskappen. Wegen der umständlichen Handhabung dieser Portiokappen behauptete schon vor Jahren der Frauenarzt Antonio Tassone aus Heilbronn: „Von zehn Frauen die damit anfangen, hören zwölf wieder auf.“
Während der Drucker das Rezept für Tetragynon® ausspuckte, erzählte unsere junge Patientin, dass bei ihnen das Kondom geplatzt sei. Und schon kam auch ihr Lover um die Ecke gebogen. Auf Gehhilfen und mit einem Unterschenkelgips am rechten Bein.
1 https://www.imabe.org/imabeinfos/die-pille-danach (aufgerufen an 07.04.2022)
2 https://www.aerzteblatt.de/archiv/119058/Tetragynon-Die-Pille-danach (aufgerufen am 07.04.2022)
3 https://www.aerzteblatt.de/archiv/167282/Pille-danach-Kuenftig-auch-in-Deutschland-rezeptfrei (aufgerufen am 07.04.2022)
In ihrem schriftstellerischen Wirken vereint Dr. Claudia Bignion ihre langjährige Erfahrung in der Anästhesie und Notfallmedizin mit dem pädagogischen Wissen aus ihrer Tätigkeit als Oberstudienrätin. Seit 2018 legt Dr. Bignion ihren Fokus auf das zukunftsorientierte Fachgebiet der Stressmedizin. Besondere Begeisterung für ihre ärztliche Tätigkeit empfindet sie durch kleine medizinische Maßnahmen, die eine große Wirkung erzielen, manchmal sogar Leben retten.