Technik

Fliegerei bis 1918 – als es wirklich noch riskant war

Speziell militärisches Fliegen ist niemals ohne Gefahren. Allerdings waren die ersten anderthalb Jahrzehnte der Fliegerei geradezu erschreckend gefährlich. Ein zentraler Grund dafür: Die Kriegsjahre machten das Flugzeug extrem schnell erwachsen – allerdings nicht bei allen heute relevanten Positionen.

Anfang 1918 hatten die bis dahin dreieinhalb Jahre des Ersten Weltkriegs die Fliegerei binnen kürzester Zeit heranreifen lassen. Dennoch kam es selbst im letzten Kriegsjahr zu Fällen wie diesem:

Im Sommer musste der brandneue und eigentlich vielversprechende Jagdeinsitzer Fokker E. V nach mehreren Flügelbrüchen völlig überarbeitet werden. Grund waren zu schwache Holme und nicht hinreichend witterungsbeständige Materialien.

Derartige Fälle gab es seit den Flügen der Gebrüder Wright, immerhin lediglich 15 Jahre zuvor, zuhauf. Und sie zeigen, wie sehr die Fliegerei bis 1918 vor allem eines war: riskant bis teilweise haarsträubend gefährlich. Auf den folgenden Zeilen erforschen wir, welche Gründe dazu beitrugen.

Eine neue Technik in jeglicher Hinsicht

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Nicht nur der Motorflug an sich war Neuland, sondern extrem vieles, was Design, Fertigung, Materialwahl und mehr ausmachte.
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Wenn heute etwas neu entwickelt wird, dann stehen dahinter nicht nur teilweise Jahre harter Arbeit. Es sorgen zudem verschiedene Normen und Gesetze für Zwangs-Sicherheit. Hinzu kommen zwei weitere sehr relevante Positionen:

  1. Sicherheitsbewusstsein: Heutzutage akzeptiert man, dass insbesondere vollkommen neue Techniken diverse Unwägbarkeiten enthalten. Daher geht man vorsichtig, konservativ vor, um diese Unbekannten in der Gleichung möglichst vollständig zu eliminieren.
  2. Computer: Es lässt sich kaum beschreiben, wie wichtig leistungsfähige Computer geworden sind. Sie helfen immens dabei, Fehler von vornherein nicht zu begehen. Zudem können sie durch Simulationen, digitale Zwillinge etc. mögliche Schwachstellen sehr gut bestimmen helfen.

Beides ist aber das Ergebnis einer langen Evolution – auch weit abseits der Fliegerei. Doch selbst heute, wo man exakt weiß, wie viele Risiken eine brandneue Technik hervorrufen kann, gibt es immer wieder Beispiele, die zeigen, wie schwierig insbesondere komplexe Systeme zu durchschauen sein können und wie sehr manches sich nur im praktischen Betrieb offenbart.

Denken wir an das Paneel-Problem der Boeing 737 Max 9. Oder die Schwierigkeiten beim Modell 787 Dreamliner. Auch die diversen Kinderkrankheiten von Lockheed-Martins F-35 Lightning II gehören dazu – und zahlreiche andere Fälle der jüngeren Vergangenheit.

Nun muss man die gesamtgesellschaftliche Lage in den ersten anderthalb Jahrzehnten der Fliegerei betrachten:

  • Sicherheit wurde generell bei Weitem noch nicht so großgeschrieben wie heute.
  • Technischer Fortschritt wurde vielfach als wichtiger erachtet als ein sorgfältiges Durchentwickeln – nicht zuletzt aus nationalen Prestige-Gründen.
  • Die Epoche war in zahlreichen Bereichen von sehr drastischen technischen und gesellschaftlichen Quantensprüngen gekennzeichnet. Zudem herrschte vielfach ein zu großes Vertrauen in die generelle Überlegenheit jedweder Technik, egal wie neu oder unausgereift.

In diesem Klima kam das Flugzeug hinzu. Praktisch alles daran waren brandneue Techniken und Prinzipien. Es gab nur wenig, was man von bestehenden Dingen 1:1 abschauen bzw. adaptieren konnte. Egal, wohin man schaut:

  • Motoren,
  • Propeller,
  • Flügel- und Rumpfkonstruktionen,
  • Bespannungsmaterialien,
  • Steuerungssysteme,
  • Fluginstrumente,
  • Aerodynamik,
  • Formationsflug,
  • Flugsicherheitsprozeduren

und noch vieles mehr waren buchstäbliches „Neuland“. Wohl war der Verbrennungsmotor in dieser Phase bereits seit Jahrzehnten bekannt. Von einer weiten Verbreitung kann jedoch keine Rede sein. Zumal Flugzeuge enorme Leistungen trotz niedrigem Gewicht erforderten.

Alles, was die Fliegerei betraf, musste vielfach via „Trial and Error“ aus dem Nichts erfunden werden. Zusammen mit den erwähnten gesamtgesellschaftlichen Faktoren führte das zu einer Lage, in der eine latente Gefahr praktisch ein Automatismus war.

Viele experimentelle Materialien und Fertigungsmethoden

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Stoffbespanntes Holz war aus damaliger Sicht eine leichte und trotzdem stabile Wahl. Dennoch fehlten sämtliche Erfahrungen im Umgang mit aerodynamisch belasteten Materialien.
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Wenn ein heutiger Flugzeugbauingenieur einen Flügel designt, dann weiß er nicht nur, wie er die Holme zu dimensionieren hat. Er weiß ebenso, welche exakten Materialzusammensetzungen in welcher Stärke für diese Holme, die Beplankung und alles Weitere infragekommen – oder überhaupt durch Kontrollinstanzen freigegeben sind.

Diese Sicherheit geht noch viel weiter. Wenn der Flügel gebaut wird, dann geschieht das – zumindest in der EU – nur mit Maschinen, die einer umfangreichen und auf Sicherheit bedachten Vorgabe entsprechen. Namentlich die neue EU-Maschinenverordnung, die derzeit die alte Maschinenrichtlinie ablöst.

Alle Arbeiter wissen überdies exakt, welche Drehmomente für Schrauben und Muttern erforderlich sind. Sie haben präzise Vorschriften, welches Werkzeug für welche Aufgabe zu nutzen ist und wirklich alles wird hinterher einer Qualitätskontrolle überzogen.

Kurzum: Alles im modernen Flugzeugbau ist von umfassenden Erfahrungswerten und auf fundierten Prinzipien fußenden Vorgaben bestimmt. Dies zieht sich bis in Funktion und Layout der Cockpit-Instrumentierung.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gab es vielfach gar nichts vergleichbares. Egal ob

  • Materialien,
  • Konstruktionsweisen,
  • Verbindungstechniken,
  • Layouts oder
  • Arbeitsprinzipien.

Kaum etwas war daraufhin optimiert, ein hundertprozentig vorhersagbares Fluggerät zu erschaffen. Während des Krieges kamen zudem noch teils dramatische Personalengpässe hinzu. Versierte Arbeiter wurden eingezogen. Stattdessen übernahmen vielerorts angelernte Frauen, Versehrte und andere Menschen ohne technischen Background die Fertigung.

Nicht zuletzt taten die kriegsbedingt notwendigen Produktionsraten ihr Übriges. Als Beispiel dafür:

  • Deutschland fertigte im Kriegsverlauf 48.537 Flugzeuge. Davon gingen 27.637 durch Abschuss oder andere Vorfälle verloren.
  • In Frankreich liefen zwischen 1917 und 1918 ganze 8.472 Stück des Jagdeinsitzers SPAD S.XIII vom Band – das meistgefertigte Muster, das ausschließlich während des Krieges produziert wurde (nicht noch länger). Deutscherseits wären die Albatros D. III (1.352 Stück) und Va (2.562 Exemplare) zu nennen.
  • Vor dem Krieg war das 1908 erschienene Muster Blériot XI eines der zahlreichsten der Welt – mit etwa 800 gebauten Exemplaren bis 1914.

Allgemein neuartige, wenig standardisierte Materialien und Fertigungsmethoden, Fertigung durch vielfach un- oder angelernte Hilfskräfte, dazu enorme Stückzahlen bei längst nicht perfekt durchrationalisierter Fertigung – und in Deutschland noch die Notwendigkeit, verschiedene Ersatzmaterialien zu verwenden, weil die britische Nordsee-Blockade keinen Import gestattete.

Angesichts dessen wundert es vielleicht weniger, warum noch 1918 bei der erwähnten Fokker E. V die Flügel brachen. Tatsächlich muss man jedoch eine Lanze brechen: Trotz (und wegen) der Umstände leisteten die kriegsbeteiligten Nationen Bahnbrechendes. Anders ausgedrückt: Damalige Maschinen hätten durchaus noch unsicherer sein können. Und definitiv waren die Muster ab zirka 1916 wesentlich robuster als alles, was zuvor war.

 Militärischer Nutzwert weit vor Sicherheitsaspekten

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Der Druckpropeller hinter dem Cockpit hatte viele Nachteile, gestattete es aber, die Bewaffnung nach vorn auszurichten. Diese zeitgenössische Zeichnung ist eines von vielen Beispielen für eine solche Nutzwert-zentrierte Denkweise.
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Nachdem sich bereits 1914 gezeigt hatte, wie immens wertvoll schon ein einziges Beobachtungsflugzeug sein konnte, wurden sämtliche Bedenken über die neue Technik hinweggefegt. Gleichsam wurde im selben Frühstadium rasch erkannt, wie vielfältig der militärische Nutzen der Fliegerei war – und wie wichtig der Versuch, den Gegner vom Einsatz seiner Flugzeuge abzuhalten.

Man könnte viele Beispiele aufführen, welche Auswirkungen dieses Denken hatte. Doch nur wenig zeigt das Verhältnis von militärischen zu Sicherheitsaspekten besser als dieses:

1915 hatte man erkannt, dass ein vor dem Piloten montiertes Maschinengewehr (MG), das durch Ausrichten des ganzen Flugzeugs gezielt wurde, die besten Trefferchancen ergab und sich zudem Störungen am einfachsten beseitigen ließen. Bloß war bei konventionell konstruierten Maschinen der Propeller im Weg. Das hinderte den schon vor dem Krieg legendären französischen Flieger Roland Garros jedoch nicht daran, auf der Propellerrückseite stählerne Abweiserbleche zu installieren.

Er nahm also willentlich Treffer seines Propellers durch seine eigenen Kugeln in Kauf. Selbst wenn aufgrund der zweiblättrigen Konstruktion nur ein schmaler Winkelbereich in dieser Gefahrenzone lag, kann man sich ausmalen, wie riskant die Sache war. Als die Deutschen 1915 seine notgelandete Morane-Saulnier L inspizierten, merkten sie rasch: Bei wesentlich härteren deutschen Geschossen brachten die Abweiserbleche nichts. Schon die ersten Feuerstöße mit flugs installierten deutschen MG 08 zerstörten den am Boden mit Vollgas rotierenden Propeller.

Einzig deshalb entwickelten einige am Test beteiligte Fokker-Ingenieure, basierend auf einem französischen Vorkriegspatent, eilends eine Mechanik. Sie blockierte immer dann den Feuermechanismus, wenn sich ein Propellerblatt vor der MG-Mündung befand. Es darf bezweifelt werden, ob man sich die Mühe gemacht hätte (wenigstens in diesem Kriegsstadium), hätte Garros‘ System ebenso mit deutschen Stahlmantelgeschossen funktioniert.

Wie erwähnt: Es gibt zahllose weitere Beispiele dieser Art. Stets ging es primär um militärische Nutzwertmaximierung. Selbst Dinge, die die Crew-Sicherheit erhöhten, zielten primär darauf ab, diese langwierig ausgebildeten Spezialisten im Einsatz zu halten. So wurde etwa bei einigen wassergekühlten Doppeldeckern der Motorkühler erst dann von der Oberflügelmitte zur Seite verlagert, als Piloten durch Kühlertreffer verbrüht wurden und mindestens wochenlang ausfielen.

Geringe Erfahrungen mit und Erprobungsmöglichkeiten von Belastungen

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Der kriegsbedingte Einsatz zahlloser nicht umfassend technisch geschulter Produktionsmitarbeiter als Ersatz für Fachleute war zwar insgesamt ein Erfolg, trug jedoch beim Flugzeugbau einen gewissen Teil zu Fertigungsproblemen bei.
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Bei einem heutigen Flugzeug mag sich vieles schon im Designstadium durch digitale Simulationen ermitteln lassen. Jedoch enthält keine Maschine eine Musterfreigabe, bevor sie nicht umfangreiche Belastungstests einzelner Teile und der ganzen Zelle durchlaufen hat – nötigenfalls bis zur Zerstörung. Etwa das bekannte Video eines CH-47 beim Messen von Resonanzen am Boden.

Bei all diesen Tests können die Ingenieure schon seit Jahrzehnten auf zahlreiche Sensoren und Messinstrumente vertrauen. Das macht die Arbeit äußerst aufschlussreich und sehr detailliert. Doch selbst wenn man schon Mitte des 20. Jahrhunderts äußerst gezielt vorging, so kann davon bis 1918 kaum eine Rede sein.

Ja, man versuchte durchaus, die Belastungsgrenzen neuer Muster herauszufinden – einfach aus militärischer Notwendigkeit. Das musste jedoch zwangsläufig äußerst rudimentär geschehen.  

Etwa, indem man bei einem umgedrehten Testflugzeug so lange Sandsäcke auf die Flügelunterseiten legte, bis etwas brach. Daraus ließen sich Maximalwerte für G-Kräfte ableiten – die sich allerdings durch Fertigungstoleranzen, Materialalterung und -ermüdung von Maschine zu Maschine unterscheiden konnten.

Hier zeigt sich erneut, wie sehr damals nicht nur Fliegerei und Flugzeugbau in den Kinderschuhen steckten, sondern viele damit verbundene Techniken und Prozesse es ebenfalls waren.

Wohl war der Windkanal damals schon verbreitet – etwa der 1909 in Paris unweit des Turmes eröffnete Eiffel-Windkanal. Bloß war der Nutzwert dieser Systeme mangels später erfundener Instrumente, Sensoren usw. begrenzt. Von den damals noch längst nicht in sämtlichen Details ergründeten Prinzipien von Aerodynamik und Strömungslehre ganz abgesehen.

Buchstäblich „brandgefährliche“ Bauweisen

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Aufgrund der Gesamtkonstruktion war die Brandgefahr damaliger Flugzeugmuster enorm hoch – selbst ohne Feindbeschuss.
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Über den gesamten Krieg hinweg schickte Deutschland Luftschiffe nach Großbritannien, um militärische und zivile Ziele zu bombardieren und britische Kräfte für die Heimat-Luftverteidigung zu binden.

Je nach Muster waren diese Luftschiffe mit mehreren Zehntausend Kubikmetern Wasserstoffgas befüllt. Bis 1916 war das ein beherrschbares Risiko. Dann jedoch entwickelten die Briten Brandmunition. War es zuvor nur möglich, einen Zeppelin buchstäblich zu perforieren, bis er genügend Traggas verlor, konnte nun ein einziger Treffer ein Inferno verursachen.

Dennoch fuhr Deutschland 1917 und 1918 noch insgesamt 539 Angriffs- und Aufklärungsmissionen – von den gut 100 während des Krieges gebauten deutschen Luftschiffen gingen 88 durch Feindeinwirkung verloren.

Man könnte versucht sein, Luftschiffe diesbezüglich als Sonderfälle der frühen Fliegerei zu betrachten. Allerdings waren herkömmliche Flugzeuge keineswegs weniger brandgefährlich:

  • Unter anderem aus Gewichtsgründen waren bei den wenigsten Mustern die Kraftstofftanks und -leitungen mit Panzerungsschutz versehen.
  • Nach Treffern selbstabdichtende Tanks wurden zwar schon 1917 in den USA patentiert, jedoch in keinem einzigen Flugzeug verbaut.
  • Nicht zuletzt aus strukturellen Gründen gab es bis Kriegsende kaum ein Flugzeug, bei dem Flügeltanks verwendet wurden. Die Kraftstoffbehälter befanden sich stets im Rumpf – bei Einmotorigen aus Trimmungsgründen meist unmittelbar vor dem Cockpit oder unter dem Pilotensitz.
  • Wesentliche Teile der Flugzeuge waren mit Stoff bespannt. Dieser musste mit Spannlack behandelt werden, um sich maximal zu straffen und keine Falten zu werfen. Dabei handelte sich um in Aceton gelöstes Zelluloid, also ein Nitrozelluloselack – äußerst leicht zu entzünden.

Damalige Motorleistungen gestatteten es zudem nicht, andere Teile der Maschinen nennenswert zu panzern. Vielfach gab es hinter dem Motor nicht einmal ein wirkliches Brandschott.

All das sorgte für eines: Durch Treffer oder Crashlandungen konnten damalige Flugzeuge binnen weniger Augenblicke lichterloh brennen. Folgendes Zitat verdeutlicht die damalige, regelrecht menschenverachtende Denkweise:

“[…] Pilots were almost never equipped with parachutes, both to save
precious weight and discourage cowardice. Instead, aviators were
sometimes given a pistol as the „coward’s way out“ of a burning aircraft.
Indeed, a number of pilots would end up perishing by their own hand
instead of suffering an unimaginably awful flame-filled death.”

 

Der leichte, platzsparend in einem Rucksack verpackte und dennoch sicher öffnende Fallschirm war über weite Teile des Krieges unbekannt. Fallschirme gab es bereits, benötigten jedoch viel sperrigere Verpackungen. Sie kamen daher primär bei statischen Beobachtungsballons zum Einsatz, um diese bei herannahenden Jagdfliegern rasch zu evakuieren.

Lediglich Deutschland führte ab 1918 universell nutzbare Fliegerfallschirme ein. Doch erst Ende Juni, also lediglich knapp drei Monate vor Einstellung der Feindseligkeiten, konnte sich Jagdflieger Helmut Steinbrecher als welterster Pilot damit aus seiner Maschine retten. Bis Kriegsende stiegen etwa 70 weitere Deutsche damit aus. Jedoch überlebten es nur zwei Drittel, weil entweder die Harnische versagten oder die Leinen sich am Flugzeug verfingen.

Völliger Mangel an Redundanz und Crashsicherheit

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Zwar waren Vorkriegsmodelle wie diese Vuia (das erste Flugzeug mit Zugpropeller) noch filigraner als die Maschinen im Krieg. Beide Generationen waren jedoch äußerst empfindlich und ließen keinen Raum für Fehler.
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In einer Zeit, in der man den Feuertod von Flugzeugbesatzungen billigend in Kauf nahm, dürfte es kaum verwundern, wie wenig deren Sicherheit auch auf anderen Gebieten eine Rolle spielte.

Noch mit äußeren Umständen zu erklären ist das geradezu lebensgefährliche Crashverhalten damaliger Maschinen. Wo es schon nicht möglich war, deren Flugstabilität hinreichend zu testen, waren die Kapazitäten für das Verhalten bei Abstürzen schlichtweg nicht gegeben.

Andere Dinge fallen jedoch wieder in eine Kategorie, die man aus heutiger Sicht durchaus menschenverachtend nennen könnte:

  • Gurte waren gerade zu Kriegsbeginn nicht universell vorhanden. Bei vielen Mustern waren selbst 1918 nur die Piloten angeschnallt. Nicht jedoch Bordschützen, Beobachter und andere Crew-Mitglieder. Zudem beschränkte man sich bei vielen Modellen auf einen Beckengurt. Primär bei einigen Jagdflugzeugen kamen noch Schultergurte hinzu. Aber: Viele Systeme waren in Sachen Materialstärke und Befestigung klar nur dazu gedacht, ein Herausfallen aus dem offenen Cockpit zu verhindern. Für Crashlandungen waren sie unterdimensioniert.
  • Redundanz der über Hebelgestänge und Drahtseile laufenden Steuerungen war ein absolutes Fremdwort. Wurden diese Elemente durch Beschuss oder Ähnliches beschädigt, gab es keinen Ersatz.

Zudem, das muss man ebenfalls bedenken, waren insbesondere damalige Einmotorige recht klein. Die Chancen, etwas Wichtiges zu treffen, waren deshalb hoch.

Extrem rudimentäre Instrumentierung

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„Spartanisch“ ist noch eine höfliche Umschreibung für das, womit damalige Flieger als Instrumentierung auskommen mussten – vor allem weil sie damit unter heutigen Instrumentenflugbedingungen operieren mussten.
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Selbst unter Sichtflugbedingungen vertrauen heutzutage viele Piloten auf diverse Instrumente zwischen GPS, Höhenmesser, Treibstoffanzeige und diversen anderen Flug- und technischen Informationsgebern.

Schon 1911 wurden erste – naturgemäß äußerst grobe – Regeln für Sichtflugbedingungen aufgestellt. Allerdings kann sich wohl jeder Leser ausmalen, welchen Stellenwert solche Vorgaben nach Kriegsausbruch besaßen. Vereinfacht ausgedrückt: Es wurde geflogen, solange das Wetter irgendwie ein Fliegen zuließ.

Was die Instrumentierung anbelangt, so spricht die folgende – kurze – Liste der Albatros D. III für sich:

  • Kraftstoffdruckanzeige
  • Kraftstoffmengenanzeige
  • Magnetkompass
  • Motordrehzahlmesser

Nachträglich wurden teilweise(!) noch Fahrt- und Höhenmesser nachgerüstet. Sie waren jedoch kein Werksstandard. Zusammen mit Uhr und Karte des Piloten sowie Radium-haltiger Leuchtfarbe auf Zeigern und Indizes war das alles.

Selbst bei größeren Langstreckenbombern, die oftmals bei Nacht operierten, waren es nicht wesentlich mehr Instrumente. Der moderne künstliche Horizont etwa wurde erst lange nach dem Krieg erfunden – ebenso der Steigmesser.

Daraus resultierten zahllose Navigationsfehler, Kollisionen, unfreiwillig leergeflogene Tanks und Abstürze.

Zusammengefasst

Man mag heute vielleicht augenzwinkernd von den früheren „Tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten“ sprechen. Aber tatsächlich muss man über die Fliegerei bis 1918 (und eigentlich noch weit darüber hinaus) eines feststellen: Es war eine Kombination aus teils gefährlich über- oder untermotorisierten Drachen aus Sperrholz, Metallrohr und Stoffbespannung. Extrem wendig zwar, aber just durch die Entwicklungsschübe des ersten Weltenbrandes viel schneller herangereift, als es guttat. 

Auf den ersten Blick mögen zwischen einer Blériot XI von 1909 und einer Pfalz D. III von 1917 Welten gelegen haben. Faktisch waren beides jedoch Maschinen, die trotz allem Elan zeigten, welch dramatisch neues Terrain die Fliegerei damals in jeglicher Hinsicht noch war – egal ob beim Ingenieur am Zeichenbrett, beim Tragflächen-bespannenden Arbeiter oder dem Piloten, der ohne jeden G-Messer entscheiden musste, welche Belastungen er seiner Maschine zutrauen konnte.

Romantisch mag die damalige Fliegerei, besonders vor dem Krieg, gewesen sein. Vor allem aber war sie wirklich noch riskant – vielfach unnötig riskant.

Beitrag verfasst von Kim Brachmann.

Titelbild: stock.adobe.com © richard– Metallrohre, Stoffbespannung und ein fest mit dem Propeller verbundender und dadurch mitrotierender Umlaufmotor mit entsprechender Schwungmasse. Schon auf den ersten Blick zeigt dieser Dr. 1-Nachbau einige der riskantesten fliegerischen Tatsachen vor 1919.

 

 

 

 

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Marlene

Marlene ist seit 25 Jahren Fotografin und Künstlerin. Ihre Leidenschaft für Sprachen und interkulturelle Kommunikation entwickelte sie durch internationale fotojournalistische Arbeiten. Heute nutzt sie ihre weitreichende Erfahrung auch als Korrekturleserin und übersetzt journalistische Artikel vom Französischen ins Deutsche. Marlene stellt sicher, dass jeder Text seine Authentizität bewahrt und an die sprachlichen sowie kulturellen Besonderheiten des deutschsprachigen Publikums angepasst wird.

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